Zwangsräume
Antisemitische Wohnungspolitik in Berlin 1939–1945
Online-Ausstellung ab
16.10.2023
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Das Haus in der Schönhauser Allee 185-186 gehörte ab Juni 1938 Malka Goldwasser, geb. Koscizki, und ihrem Sohn Hermann (Hirsch) Goldwasser. Malka Goldwassers Ehemann Süssmann Goldwasser hatte ihnen das Haus vererbt.
Malka Goldwasser lebte bis zu ihrer Flucht nach Großbritannien im Haus. Auch Hermann Goldwasser wohnte bis 1938 hier.
1939 wurde das Gebäude vom deutschen Staat beschlagnahmt.
Mindestens acht Wohnungen im Haus wurden als Zwangswohnungen genutzt. In einer Reihe anderer Wohnungen lebten seit vielen Jahren ebenfalls jüdische Mieter:innen.
Im Mai 1939 wohnte die Familie Neiß zur Untermiete in der 4,5-Zimmer-Wohnung im ersten Obergeschoss. Die Familie Neiß bestand aus Margarete Neiß, geb. Marcus, ihrem Mann David Neiß und ihren Söhnen Artur und Herbert. Außerdem lebten Arturs Frau Herta Neiß, geb. Heim, und deren kleiner Sohn Rolf in der Wohnung. Später zog auch Luise Neiß, geb. Riczker, ein. In welchem Verwandtschaftsverhältnis sie zu der Familie stand, ist nicht bekannt. Im Mai 1941 zog auch Dorothea Baer als Untermieterin für 45 Reichsmark im Monat in ein Zimmer der Wohnung.
Zu einem unbekannten Zeitpunkt wurde Artur Neiß Hauptmieter.
David Neiß starb am 23. Mai 1939 in der Wohnung. Die übrigen Familienmitglieder wurden am 27. November 1941 nach Riga deportiert und bei ihrer Ankunft erschossen.
Auf der Schulkarte ist rot vermerkt, dass er die Schule am 27. November 1941, dem Tag seiner Deportation, verlassen hat. Unter „neue Schule“ sind die Worte „Riga evacuiert“ notiert.
Nach der Deportation der Familie Neiß lebte Dorothea Baer offenbar bis zu ihrer eigenen Deportation in das Ghetto Warschau am 2. April 1942 allein in der Wohnung. Die anderen Räume waren wahrscheinlich versiegelt. Es hat etwa drei Monate gedauert, bis das Zimmer von Dorothea Baer geleert und entsiegelt wurde. Der Erlös aus dem Verkauf ihrer Habseligkeiten wurde vom Staat eingezogen.
Am 23. April 1942 unterzeichnete Rosa Kniebel einen neuen Mietvertrag für die Wohnung. Sie zog mit ihrer Schwester Henriette und ihrer Mutter Minna, geb. Kasprowicz, in die Wohnung ein. Zu diesem Zeitpunkt waren die rechtmäßigen Eigentümer:innen des Hauses, Malka Goldwasser und ihr Sohn, bereits enteignet. Auf dem Mietvertrag von Rosa Kniebel unterschrieb der nichtjüdische Hausverwalter Hans Joachim Götz.
„Dieser Vertrag erlangt erst Gültigkeit mit einer Genehmigung durch die zuständigen Behörden (Generalbauinspektor, Haupttreuhandstelle Ost).“
Rosa Kniebel vermietete ab Juni 1942 ein 37 Quadratmeter großes Zimmer an Ella Chraplewsky und deren 21-jährige Tochter Edith unter. Sie mussten für den Apotheker Hans Starke beziehungsweise die Firma I.G. Farben Zwangsarbeit leisten.
Ein weiteres, 20 Quadratmeter großes Zimmer wurde an Lucie Juliusburger vermietet. Sie musste - wie auch ihre Hauptmieterin Rosa Kniebel -Zwangsarbeit für die Firma Siemens & Halske leisten.
Für die sechs Bewohnerinnen der 4,5-Zimmer-Wohnung war der Wohnraum beengt. Minna Kniebel war die erste, die deportiert wurde. Sie wurde am 14. September 1942 in das Ghetto Theresienstadt transportiert, wo sie kurz darauf ums Leben kam. Am 29. November 1942 wurden Rosa und Henriette Kniebel nach Auschwitz deportiert.
Lucie Juliusburger wurde mit ihrer Nachbarin Edith Chraplewsky nach der sogenannten „Fabrik-Aktion“ am 1. März 1943 nach Auschwitz deportiert.
Ediths Mutter Ella Chraplewsky wurde zwei Tage nach ihrer Tochter nach Auschwitz deportiert und ermordet.
Betty Glindmeyer, née Rosenthal, and her non-Jewish husband Arthur Glindmeyer moved with their children Günther and Ellen to Schönhauser Allee 185-186 before July 1939. Her sister Gertrud Meyer, née Rosenthal, also lived with her family at this address - in an apartment in the courtyard building.
On July 1, 1939, Isidor and Regina Rosenthal, née Brzcyniski – Betty and Gertrud’s parents - moved to the Berlin address from Schwiebus (now Swiebodzin in Poland) with their other daughter Dora Rosenthal and their granddaughter Margot Meyer. They moved into Betty Glindmeyer’s apartment.
Margot was the daughter of Gertrud Meyer but lived with her grandparents in her aunt's apartment.
In August 1941, Isidor Rosenthal gave a home to another child: Stephan Pagel. He had been living in the orphanage in May 1939. On November 29, 1942, the seven-year-old Stephan was deported alone to Auschwitz and murdered there. A little more than a week later, Isidor and Regina Rosenthal were deported to Auschwitz and murdered.
Dora Rosenthal was able to flee to England in 1939. Ellen and Günther, who were classified as so-called "Mischlinge of the first degree" under the racist Nazi laws because their father was not Jewish, survived the Nazi persecution. Betty Glindmeyer and her niece Margot Meyer also survived. In order to protect her, Betty and Arthur Glindmeyer had pretended that Margot was their own child.
Alfred and Gertrud (Trudy) Meyer, née Rosenthal, had probably lived at this address since 1938. The lived in the apartment with their two young sons Denny (b. 1938) and Berl (b. 1940). Their daughter Margot lived with Gertrud Meyer's sister Betty Glindmeyer on the third floor of the front building.
Alfred Meyer died on October 19, 1942, officially of a brain tumor. His daughter Margot later recalled that he was actually murdered by the Secret State Police (Gestapo).
Gertrud Meyer and her sons were to be deported in February 1943, but had gone into hiding shortly before. Mother and children did not survive, however. They were deported to the Theresienstadt ghetto on May 26, 1944. Gertrud sent Margot one postcard from Theresienstadt in which she wrote: “Du bist mein Sonennschein” ("you are my sunshine") On October 12, 1944, they were deported from there to Auschwitz and murdered. Of the family, only Margot Meyer survived, having been taken in and hidden by her aunt Betty Glindmeyer.
In Gedenken an die jüdischen Bewohner:innen der Schönhauser Allee 186
Online-Ausstellung ab
16.10.