Zwangsräume
Antisemitische Wohnungspolitik in Berlin 1939–1945
Online-Ausstellung ab
16.10.2023
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Auf dem Grundstück Tabbertstraße 14 in Oberschöneweide betrieb die Familie Feldmann seit 1900 eine gutgehende Seiden-, Woll- und Baumwollgarnfärberei. Nach dem Tod des Firmengründers Simon Feldmann im Jahr 1925 wurde seine Witwe Sophie Feldmann die Eigentümerin des Grundstücks. Ihr jüngster Sohn Fritz Feldmann führte die Färberei seit spätestens 1927 fort.
Die Färberei verfügte über einen Gleisanschluss und einen Zugang zur Spree. Zeitweise waren bis zu 100 Mitarbeiter:innen hier beschäftigt. Einige Angestellte wohnten sogar in der Tabbertstraße 14.
Auf dem Gelände waren neben der Färberei auch andere Firmen tätig. So betrieb Günther Skotzki, der Schwiegersohn von Sophie Feldmann, hier seit 1936 eine Strickgarn- und Knopfleistenfabrik.
Sondersteuern und die zunehmende Diskriminierung und Verfolgung der jüdischen Bevölkerung führten zum Zusammenbruch der Firma S. Feldmann und zum persönlichen Ruin Fritz Feldmanns. Der Betrieb wurde am 16. Dezember 1939 eingestellt und die Firma am 22. September 1941 aus dem Handelsregister gelöscht.
Sophie Feldmann entstammte einer Breslauer Kaufmannsfamilie. Nach dem Tod ihres Mannes 1925 lebte sie mit einem Teil ihrer Kinder weiterhin in dem zur Fabrik gehörenden Wohngebäude in der Tabbertstraße 14. Die jüngste Tochter Alice Ruth Feldmann war unverheiratet und arbeitete als Büroangestellte. Tochter Charlotte Feldmann hatte 1926 Günther Skotzki geheiratet, der in der Tabbertstraße ebenfalls eine Fabrikation eröffnete. Günther war das jüngste Kind des Breslauer Textilkaufmanns Philipp Skotzki und seiner Frau Berta Skotzki. Nach dem Tod ihres Ehemannes im Jahr 1917 führte sie gemeinsam mit ihren beiden Söhnen die Geschäfte weiter.
Im Jahr 1934 heiratete der Sohn Fritz Feldmann Berta Lindheimer. Das Paar zog ebenfalls in die Tabbertstraße. Zwei Jahre später zog auch Berta Feldmanns verwitwete Mutter Rega Lindheimer nach Oberschöneweide. Seit 1938 lebte auch Sophie Feldmanns jüngere Schwester Berta Skotzki zeitweise mit in der Tabbertstraße.
Im November 1938 starb Fritz Feldmann im Alter von 42 Jahren – nach unterschiedlichen Angaben an einem Herzschlag oder durch Suizid. Nach seinem Tod flüchtete Berta Feldmann mit ihrer Mutter im Juli 1939 nach Brüssel, wo sie erneut heiratete. In Belgien wurde sie verhaftet und in das Durchgangslager Malines bei Antwerpen verbracht. Vorn dort wurden sie alle am 4. August 1942 nach Auschwitz deportiert und ermordet.
Alice Ruth Feldmann starb am 12. November 1939 an einer Lungentuberkulose. Wenige Wochen vor ihrem Tod war sie im Westhospital in Berlin-Charlottenburg untergebracht worden, obwohl Jüdinnen:Juden zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr in einem „arischen“ Krankenhaus behandelt werden durften.
Sophie Feldmann beging am 15. Januar 1942 Suizid. Berta Skotzki kehrte nach dem Tod ihrer Schwester nach Breslau zurück. Sie wurde am 26. Juli 1942 mit einer weiteren Schwester in das Ghetto Theresienstadt deportiert, wo sie ums Leben kam. Ihre drei Kinder waren nach Palästina, in die USA und nach Kuba geflohen.
Als Untermieter:innen wohnten offenbar Ernst Friedenstein und seine ältere Schwester Jenny Friedenstein mit in der Wohnung. Ernst Friedenstein wurde am 3. März 1943 nach Auschwitz deportiert und dort vermutlich ermordet. Jenny Friedenstein war bereits ein halbes Jahr zuvor in das Ghetto Theresienstadt deportiert worden und schon nicht mehr am Leben.
Die seit 1901 verheirateten Eheleute Heinrich und Gertrud Cohn, geb. Weiß, lebten gemeinsam in der Tabbertstraße. Heinrich Cohn verstarb im März 1942 im Jüdischen Krankenhaus. Ein Jahr später wurde seine Witwe gemeinsam mit ihrer Tochter Bertha Danziger, geb. Cohn, und deren vierjährigem Sohn Denny nach Auschwitz deportiert. Es ist davon auszugehen, dass alle drei unmittelbar nach der Ankunft ermordet wurden.
Fanny Salm, geb. Lehmann, kam 1926 nach ihrer Scheidung nach Berlin. Ihre zwei Kinder lebten in einem Kölner Waisenhaus. Um 1939 arbeitete sie als Haushaltshilfe bei Sophie Neumann. Am 19. Januar 1942 wurde Fanny Salm in das Ghetto Riga deportiert. Es ist unklar, ob sie direkt nach ihrer Ankunft ermordet oder zur Zwangsarbeit verpflichtet wurde. Wie Fanny Salm überlebte auch ihr Sohn Rolf Salm nicht. Ihre Tochter Erna Salm konnte 1938 nach Australien fliehen.
Ab 1890 wurde die Oberspree zum Standort namhafter Industrieunternehmen. Im Jahr 1897 errichtete die Allgemeine Electricitäts-Gesellschaft (AEG) in der Gemeinde Oberschöneweide ein Industrieareal mit dem ersten Drehstromkraftwerk Deutschlands. Mit der Ansiedlung von Akkumulatorenwerken und einem Kabelwerk wurde Oberschöneweide zu einem der bedeutendsten Standorte von „Elektropolis“, der elektrifizierten Großstadt. Tausende Menschen mussten in Oberschöneweide in den Industriebetrieben Zwangsarbeit leisten. Im August 1941 war die AEG auf der Suche nach Ersatz für die „bevorstehende Abgabe jüdischer Arbeiter“, die deportiert werden sollten.
Yves Müller
26.4.1878 in Mislowitz (Mylowice)
Deportation am 3.3.1943 nach Auschwitz, ermordet
2.4.1878 in Hohenlinde bei Beuthen (Łagiewniki)
Verstorben im Jüdischen Krankenhaus Berlin am 13.3.1942
11.2.1905 in Myslowitz (Mylowice)
Deportation am 3.3.1943 nach Auschwitz, ermordet
24.12.1938 in Berlin
Deportation am 3.3.1943 nach Auschwitz, ermordet
24.12.1899 in Berlin
Verstorben am 12.11.1939
1.9.1896 in Berlin
Suizid oder Herzschlag am 29.11.1938
30.7.1866 in Breslau (Wrocław)
Suizid am 15.1.1942
4.9.1879 in Breslau (Wrocław)
Deportation am 3.3.1943 nach Auschwitz, ermordet
12.6.1869 in Breslau (Wrocław)
Deportation am 14.9.1942 ins Ghetto Theresienstadt, dort umgekommen am 20.2.1943
16.12.1889 in Meudt
Flucht nach Brüssel, Deportation am 4.8.1942 von Belgien nach Auschwitz, ermordet
29.11.1911 in Nassau an der Lahn
Flucht nach Brüssel, Deportation am 4.8.1942 von Belgien nach Auschwitz, ermordet
15.10.1889 in Köln
Deportation am 19.1.1942 ins Ghetto Riga, ermordet
10.1.1868 in Breslau (Wrocław)
Deportation am 26.7.1942 aus Breslau ins Ghetto Theresienstadt, umgekommen am 27.12.1942
Online-Ausstellung ab
16.10.