Zwangsräume
Antisemitische Wohnungspolitik in Berlin 1939–1945
Online-Ausstellung ab
16.10.2023
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Das Haus wurde 1926 erbaut. Im gleichen Jahr übernahm der „Frauenverein von 1833“ das Gebäude und richtete ein jüdisches Waisenheim für Mädchen ein. 1930/31 wurde es umbenannt in „Jüdisches Kinder- und Jugendheim Hermsdorf“.
Ab 1935 wurde das Haus als Wohnhaus genutzt. Im Erdgeschoss wurde ein Betsaal eingebaut. Nun konnte das Gebäude als Synagoge des „Jüdischen Religionsvereins der nördlichen Vororte“ genutzt werden.
Ab 1936 übernahm die Jüdische Gemeinde Berlin das Haus. Als ab 1939 der Bedarf an Wohnraum für Jüdinnen:Juden stieg, wandelte die Jüdische Gemeinde den Betsaal wieder in eine Wohnung um. Am 1. November 1942 musste sie das Grundstück an die Reichshauptstadt verkaufen.
Das Haus hatte drei Wohnungen. Dort lebten zwischen 1939 und 1943 insgesamt 27 jüdische Menschen. Zehn von ihnen waren zwangsweise in das Haus gezogen. 16 der jüdischen Bewohner:innen wurden von dieser Adresse deportiert.
Im August 1939 zog Familie Latte in die große 5-Zimmer-Wohnung. Vermutlich waren sie die ersten Bewohner:innen, nachdem der Betsaal wieder zu einer Wohnung umgebaut worden war.
Paul Latte war Fischhändler in Pankow. Mit ihm wohnten seine Frau Selma und seine Schwester Henriette. Die Schwestern von Selma Latte wohnten mit ihren Männern im ersten Obergeschoss des Hauses. Es ist zu vermuten, dass es in dieser Wohnung weitere Untermieter:innen gab.
Am 13. Januar 1943 deportierte die Schutzstaffel (SS) Paul und Selma Latte ins Ghetto Theresienstadt. Nur einen Tag später wurde auch Henriette Latte nach Theresienstadt deportiert
In der 5-Zimmer-Wohnung im ersten Obergeschoss wohnten seit 1937 das Ehepaar Ephraim und Rosa Broh und das Ehepaar Adolf und Regina Broh. Ephraim und Adolf Broh waren Brüder, Rosa und Regina Broh, beide geb. Noah, Schwestern. Die vier waren 1937 zusammen aus Posen nach Berlin geflohen.
Rosa und Regina waren die Schwestern von Selma Latte, die 1939 mit ihrer Familie in das Erdgeschoss des Hauses zog.
Auch in der Wohnung der Brohs gab es sicher weitere jüdische Untermieter:innen. Die Ehepaare Broh wurden am 14. September 1942 ins Ghetto Theresienstadt deportiert.
Im Dachgeschoss befand sich eine etwas kleinere Wohnung mit vier Zimmern. Ab 1936 führt das Berliner Adressbuch Alma und Marcus Wolff mit ihrer Tochter Marga unter dieser Anschrift.
1938 oder 1939 zog David Heimann mit in die Wohnung. Ob er das freiwillig oder zwangsweise tat, ist unklar. Seine Tochter Thekla Hirsch wohnte wohl auch mit in der Wohnung, bevor sie nach Großbritannien auswanderte. Nach dem Kriegsende übersiedelte sie nach Brasilien.
Die Wohnungen deportierter Juden:Jüdinnen wurden versiegelt und mussten vor einer neuen Vermietung freigegeben werden. Bis zu diesem Zeitpunkt wurden die Mieten vom Oberfinanzpräsident aus dem eingezogenen Vermögen der deportierten jüdischen Bewohner:innen bezahlt.
Im Ortsteil Hermsdorf lag das Zentrum jüdischen Lebens in Reinickendorf. Das erklärt, dass sich gerade hier ein Haus befand, in dem nur jüdische Mieter:innen wohnten.
Anders als in den bürgerlichen Bezirken im Zentrum und im Süden Berlins, waren die jüdischen Bürger:innen in Berlin-Reinickendorf schon immer eine deutliche Minderheit gewesen. 1933 wurden dort 1.115 Menschen jüdischen Glaubens gezählt. Das waren ungefähr 0,7 Prozent der jüdischen Bevölkerung Berlins. Daher war es in diesem Stadtbezirk für die Behörden auch einfacher, jüdische und nichtjüdische Bewohner:innen voneinander zu trennen.
Johanna A. Kühne
11.2.1871 in Magdeburg
Deportation am 14.9.1942 ins Ghetto Theresienstadt, umgekommen am 30.11.1944
1.12.1869 in Bydgoszcz
Deportation am 14.9.1942 ins Ghetto Theresienstadt, umgekommen am 2.10.1942
14.7.1872 oder 14.8.1872 in Schrimm (Śrem)
Deportation am 14.9.1942 ins Ghetto Theresienstadt, weiter am 16.5.1944 nach Auschwitz, ermordet
20.8.1866 in Schrimm (Śrem)
Deportation am 14.9.1942 ins Ghetto Theresienstadt, weiter am 16.5.1944 nach Auschwitz, ermordet
9.12.1877 in Mosina
Deportation am 14.9.1942 ins Ghetto Theresienstadt, weiter am 16.5.1944 nach Auschwitz, ermordet
12.3.1868 in Mosina
Deportation am 14.9.1942 ins Ghetto Theresienstadt, weiter am 16.5.1944 nach Auschwitz, ermordet
6.12.1927 in Berlin
Inhaftiert in Berlin, Deportation am 24.-26.9.1942 nach Raasiku, ermordet
19.7.1894 in Berlin
Wohnort und Lebensdaten aus Volkszählung 1939 bekannt, weiterer Verbleib unklar
28.7.1857 in Hagen
Verstorben am 16.3.1940 in Berlin
12.3.1864 in Festenberg (Twardogóra)
Deportation am 11.9.1942 ins Ghetto Theresienstadt, weiter am 29.9.1942 ins Vernichtungslager Treblinka, ermordet
1.8.1924 in Berlin
Wohnort und Lebensdaten aus Volkszählung 1939 bekannt, weiterer Verbleib unklar
20.9.1889 in Berlin
Wohnort und Lebensdaten aus Volkszählung 1939 bekannt, weiterer Verbleib unklar
2.10.1878 in Bydgoszcz
Deportation am 13.1.1943 ins Ghetto Theresienstadt, umgekommen am 24.1.1943
21.6.1876 in Mosina
Deportiert am 13.1.1943 ins Ghetto Theresienstadt, umgekommen am 16.7.1943
26.6.1872 in Mosina
Verstorben am 22.9.1942 in Berlin
13.3.1879 in Namslau (Namysłów)
Deportation am 11.9.1942 ins Ghetto Theresienstadt, weiter am 29.9.1942 ins Vernichtungslager Treblinka, ermordet
3.11.1879 in Jerichow (Sachsen)
Deportation am 14.12.1942 nach Auschwitz, dort ermordet
19.10.1875 in Berlin
Verstorben am 4.4.1943 in Berlin
3.6.1905 in Berlin
Wohnort und Lebensdaten aus Volkszählung 1939 bekannt, weiterer Verbleib unklar
16.2.1887 in Beeskow
Wegen nichtjüdischer Ehefrau vermutlich nicht deportiert
4.6.1895 in Güsen
Flucht nach Großbritannien
Überlebte
20.12.1879 in Wodzisław
Wohnort und Lebensdaten aus Volkszählung 1939 bekannt, weiterer Verbleib unklar
5.3.1874 in Bydoszcz
Deportation am 14.1.1943 ins Ghetto Theresienstadt, umgekommen am 31.1.1943
9.11.1881 in Wodzisław
Deportation am 24.-26.9.1942 nach Raasiku, ermordet
19.3.1878 in Lwówek
Deportation am 24.-26.9.1942 nach Raasiku, ermordet
9.1.1921 in Berlin
Wohnort und Lebensdaten aus Volkszählung 1939 bekannt, weiterer Verbleib unklar
Online-Ausstellung ab
16.10.